Was wäre unsere Welt nur ohne Künstler, Philosophen und Querdenker? Auch, wenn wir Musik, Schauspiel und Schriften jedweder Art oft als Luxusgüter in unserer von Krisen beherrschten Welt betrachten, liegt doch oft genau in diesen Dingen eine nicht zu verleugnende Wahrheit: Unsere Gedanken, unsere Ansichten und Gefühle – das sind die Waffen, mit denen wir uns bekämpfen oder mit deren Hilfe wir zusammenfinden können. Ohne mit den folgenden Worten ein zu schwarzmalerisches Bild propagieren zu wollen, braucht es unserer Meinung nach genau jenes kreative Gegengewicht, um mit der Gewalt und Ohnmacht, mit der wir täglich konfrontiert werden, umgehen zu können. Es braucht etwas, das auf schöne und eindringliche Weise an die guten Seiten der Menschheit, an ihre Klugheit und ihre Vorsicht erinnert. Die kanadische Band Austra, die von der Sängerin und Songwriterin Katie Stelmanis gegründet wurde, hat stets versucht, mit ihren Werken nicht nur einen kurzfristigen Konsumgedanken befriedigen zu wollen, sondern darüber hinaus auch Samen des Anstoßes darin zu verpflanzen. Dass sich dabei Clubtauglichkeit und ernsthaft aufgeworfene Gesellschaftskritik keineswegs widersprechen müssen, beweisen die Erfolgsgeschichte der Alben „Feel It Break“ (2011) und „Olympia“ (2013) sowie die Anerkennung die Austra in den letzten Jahren einheimste. Vielleicht ist es gerade das Aufgreifen und Weiterentwickeln akustischer Trends oder die Kompatibilität mit dem Mainstream, die es der Band ermöglichten, Türen aufstoßen und ihre Botschaften streuen zu können.
Auch das dritte Album der Kanadier greift den mahnenden Ton seiner Vorgänger auf und umhüllt ihn mit einem eindrucksvollen, avantgardistischen Klanggewand. In perfekter Balance zwischen Weiterentwicklung und Reminiszenz erinnert „Future Politics“ an die Stärken Austras und das Vermögen des Quartetts, soundtechnisch neue Wege zu beschreiten. Statt in Stillstand und Unbeweglichkeit zu verharren, eilen Katie Stelmanis, Maya Postepski alias Princess Century, Dorian Wolf und Ryan Wonsiak einer ungewissen Zukunft entgegen, gewinnen dabei massiv an künstlerischer Integrität und weichen nebenbei noch die Grenzen des Indietronica-Genres mit Dark Wave- und Synthiepop-Einflüssen auf. „Future Politics“ ist raffiniert und unbeugsam. Eine Platte, die den großen Pathos ausbreitet wie ein goldenes Fließ, sich nicht wirklich greifen lassen will und sich erst recht nicht anbiedern möchte. Stattdessen fordert sie den Hörer, konfrontiert ihn mit seinen Ängsten und schließt ihn schließlich sanft in die Arme. Zwar gibt es kontinuierlich wiederkehrende, vertraute Momente und eingängige Beats, die einen Zugang zu Stücken wie „Utopia“, „Gaia“ oder dem hervorragenden „Beyond A Mortal“ ermöglichen, doch muss man aufpassen, sich im Anschluss nicht in einem Labyrinth aus Spiegeln zu verlieren, das neben der Gier des modernen Erdenbewohners, auch dessen Vergänglichkeit und Knechtschaft innerhalb seiner selbst erschaffenen Systeme reflektiert. Besser hätten Austra tatsächlich nicht an ihre bisherige Erfolgsgeschichte anknüpfen können. Schon jetzt legt „Future Politics“ die Latte für weitere Veröffentlichungen im Musikjahr 2017 sehr hoch.
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