INTERVIEW: Ólafur Arnalds

Als Herr über die leisen Töne ist Ólafur Arnalds in die Annalen der Musikgeschichte eingegangen. Der 36-Jährige vermag es, Aufregung mit Mitteln zu erzeugen, die langläufig als wenig aufregend gelten. Seine Werke bewegen sich zwischen Ambient, Neoklassik, Chillout und Contemporary. Am 02. Juli wird Arnalds im Tempodrom zu sehen sein, um dort unter anderem die Stücke seines 2020er Albums „some kind of peace“ erstmals live in Berlin zum Besten zu geben. Vorab entsandten wir ein paar Fragen an den Isländer.

Was verbindest du mit deinem Heimatland? Inwieweit hat es Ihre Musik beeinflusst?

Wo man herkommt, beeinflusst einen immer. Als isländischer Musiker denke ich, was mich am meisten geformt hat, ist, wie ruhig es hier sein kann, sogar in Reykjavík. Es ist leicht, sich von all dem Lärm zu entfernen und abzuschalten. Auch die Musikszene in Island ist sehr inspirierend. Man hat keine Angst vor Experimenten und vor dem, was außerhalb der Norm liegt.

Hier in Deutschland spricht man gerne von der sogenannten „nordischen Melancholie“, wenn es um Musik aus nördlichen Breitengraden geht. Kannst du diesem Motiv etwas abgewinnen?

Ich denke, es ist mehr Image als Substanz, aber es ist auf jeden Fall etwas dran. 

Deine Musik und die ähnlicher Künstler*innen wird gern als „Easy Listening“ abgetan. Wir wehren uns gegen diese Bezeichnung, da sie der Komplexität deiner Werke nicht gerecht wird. Was meinst du?

Es macht mich ein wenig traurig, wenn die Leute sich nicht die Mühe machen, unter die Oberfläche zu schauen. Ich kann verstehen, dass es sich beim ersten Hören wie Hintergrundmusik anfühlen kann, aber ich glaube, dass diejenigen belohnt werden, die probieren, intensiv zuzuhören.

Du hast mit unglaublich vielen verschiedenen Kolleg*innen zusammengearbeitet. Wie hast du die Gäste für dein letztes Album „some kind of peace“ ausgewählt? 

Ich denke, dass großartige Kollaborationen normalerweise sehr organisch zustande kommen, und das war auch bei diesem Album der Fall. Ein paar Freunde, die zusammen abhängen, und es entsteht Musik. Josin und Bonobo kamen beide im Sommer 2019 zu Besuch, ursprünglich nicht mit der Idee, Songs zu schreiben. Jófríður und ich mussten hingegen ein bisschen mehr planen, da wir unsere Tracks getrennt zwischen Island und Australien aufgenommen haben.

Wenn du auf all deine Alben und viele Projekte zurückblickst, welche Erinnerungen kommen dir als erstes in den Sinn?

Ich blicke gern auf das Bild zurück, wie ich begann, an meinem ersten Album zu arbeiten. Ich hatte ein behelfsmäßiges Studio in der Garage meiner Eltern und habe einen Großteil davon dort aufgenommen. Ich erinnere mich daran, dass ich von Fahrrädern und Rasenmähern umgeben war und wirklich intensiv an einem Konzept für dieses Album gewerkelt habe.

Gibt es Dinge, die du in deiner Karriere bereut hast? Wenn ja, was sind sie?

Ich glaube nicht daran, dass Bedauern gesund oder gar nützlich ist. 

Welche Ziele hast du dir für deine Karriere gesetzt? 

Mein Ziel ist es, immer einen Schritt nach vorne zu machen, weiter zu forschen, zu experimentieren und neue Wege zu finden, um als Künstler zu wachsen. 

Die Pandemie war für viele ein harter Schlag. Welche positiven Dinge konntest du aus dieser Zeit mitnehmen?

Perspektiven! Ich hoffe, die konnten auch andere für sich finden. Eine andere Sichtweise auf die Welt. Dass die Dinge nicht so sein müssen, wie sie sind. Wir haben sie geschaffen. Also können wir sie auch ändern.

Wie ist es, nach einer so langen Pause wieder auf der Bühne zu stehen?

Es ist unglaublich. Die Veröffentlichung von „some kind of peace’“ fühlte sich immer ein wenig unvollständig an, da ich nie die Gelegenheit hatte, diese Songs in einem Raum mit echten Menschen zu teilen. Das ist der Ort, an dem die wirkliche Arbeit passiert, das ist der Platz, an dem die Konversation stattfindet. Und genau darum geht es hier.

Beschreib uns bitte die letzten Minuten vor einem Konzert. Hast du Rituale? 

Normalerweise versuche ich, ein paar Minuten zu meditieren, um mich in die richtige Stimmung und den richtigen Zustand zu bringen. Aber dann scherzen wir einfach ein bisschen herum, ich und die Band. Das hebt unsere Laune. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass man sich gut und glücklich fühlen muss, wenn man die Bühne betritt. Also versuchen wir, dafür zu sorgen, dass wir das alle sind. 

Natürlich interessieren wir uns auch dafür, was du tust und was in dir vorgeht, wenn der tosende Applaus des Publikums nach deinem letzten Stück verklungen ist.

Normalerweise ist da eine Art kurze Nachbesprechung in meinem Kopf. Ich frage mich, wie es gelaufen ist und was wir beim nächsten Mal verbessern können. Ich mache mir ein paar Notizen. Und dann feiern wir! Ich feiere jede Show. 

Wenn du der Welt und der Menschheit etwas wünschen könntest, was wäre das?

Mehr Einfühlungsvermögen. 


LIVE

02.07. BERLIN – TEMPODROM

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