Das große Rätselraten, wer hinter der sardischen Stierkopfmaske steckt, die das Konterfei des aus Hamburg stammenden Komponisten Lambert ziert, mag für manche noch immer von Belangen sein, viele andere haben sich aber damit abgefunden, das kleine Geheimnisse auch durchaus ihren Reiz haben können. Schließlich denkt Lambert nicht einmal im Traum daran, sich zu demaskieren, könnte das doch gleichzeitig auch eine Entzauberung seiner Musik bedeuten, die durch das lange Versteckspiel unweigerlich an das mysteriöse Erscheinen ihres Verursachers gebunden ist. Ungewiss ist vieles in dieser Welt, da macht die Kleinigkeit eines fehlenden Gesichts den sprichwörtlichen Kohl wohl kaum noch fetter. Wichtiger ist es, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass die ständige Panikmache, die politischen Turbulenzen und die unstillbare Gier, unsere individuellen Bedürfnisse zu befriedigen, immer mehr dazu führen, dass wir uns von jedweder Menschlichkeit abwenden, und einem Zustand entgegenblicken, der sich am treffendsten mit dem Wort Kollaps beschreiben lässt. Auf „Sweet Apocalype“ packt Lambert seine Ansichten zu diesem Thema in ungewohnt muntere Töne.
Kannte man den Komponisten, Produzenten und Pianisten bisher für seine kargen, meist minimalistisch gehaltenen Instrumentierungen, so lädt uns Lambert ausgerechnet in dem Moment, in dem er sich mit dem Zusammenbruch unser Zivilisation befasst, dazu ein, sein Gespür für strahlende Melodien zu entdecken. Als wäre das Lied der vollkommenen Zerstörung das schönste, das es auf diesem Planeten zu vernehmen gäbe. Doch in dem vermeintlichen Widerspruch steckt auch eine Botschaft. Nämlich die, dass wenn die letzte Stunde gezählt, der letzte Atemzug geatmet ist, wir endlich versöhnt sein werden mit dem, was uns umgibt. Dann sind all unsere Fehler verziehen und wir können beruhigt in das Licht treten, das am Ende unserer Reise schon immer auf uns gewartet hat. „The End“, der finale Track auf „Sweet Apocalypse“, unterstreicht die Gewaltigkeit, die dieser Aussage innewohnt. Gleichzeitig thront das Stück verheißungsvoll über seinen elf Vorgängern, die mal federleicht, mal samtig weich, aber stets frohen Gemütes, den Weg zum bittersüßen Ende ebnen. Lamberts Federführung scheint dabei die Richtung geändert zu haben. Anstatt dem Hörer Beharrlichkeit und Ausdauer abzuverlangen, wie es noch auf „Lambert“ (2014) oder „Stay In The Dark“ (2015) der Fall war, öffnet er auf „Sweet Apocalypse“ bereitwillig Tor und Tür in die Tiefen seiner Kreativität. Dies tut er, indem er seine Kompositionen orchestraler und ausladender gestaltet. Akzentuiert durch Streicher- und Bläserarrangements befriedigt er damit unser stetiges Bedürfnis nach Geborgenheit. Zum Teil mag dieser neue Ansatz der Zusammenarbeit mit der Künstlerin Moki geschuldet sein, die Lambert am Entstehungsprozess seiner neuen Platte teilhaben ließ. Passend zu ersten Soundentwürfen fertigte sie eine Reihe von Bildern an, die den Mittedreißigjährigen wiederum dazu veranlassten, seine Kompositionen erneut zu überarbeiten und weitere Details hinzuzufügen. Ferner drängt sich aber auch der Gedanke auf, dass es sich bei „Sweet Apocalypse“ um die Offenbarung eines Musikers hält, der uns statt seines physischen einen weiteren Teil seines seelischen Antlitzes enthüllen möchte.
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