Ismay mag auf den ersten Blick vielleicht wie das naive Mädchen vom Lande erscheinen, doch versteckt sich hinter der brünetten Naturliebhaberin ein wahres Songwriterausnahmetalent. Ein einziger Durchlauf des Tracks „River of Light“ reichte aus, um uns restlos von ihr zu überzeugen und einen Ohrwurm heranzuzüchten, der sich auch nach zahlreichen Versuchen nicht aus unseren Gehörgängen entfernen ließ. Auf ihrer Debüt-EP „Song From A River“ zeichnet Ismay feingliedrige Folksongs mit wohltuendem Hang zur Nostalgie. Wie hätten wir der Versuchung widerstehen können, die Amerikanerin um einen exklusiven Song für unsere Rubrik „Gecovert“ zu bitten? Binnen weniger Tage nach ihrer Zusage übermittelte sie uns ihre Version von Angel Olsons „The Intern“, mit der sie sich anmutig vor ihrer geschätzten Kollegin verneigt.
Warum hast du dich entschieden, diesen Song zu covern?
„Als ich Angel Olsens Musik zum ersten Mal hörte, veränderte das meine Sicht aufs Songschreiben. Ihre EP ‚Strange Cacti‘ ermöglichte es mir, mich auf einer sehr tiefen Ebene mit ihrer Melodik zu verbinden. Ganz besonders verliebte ich mich in den Song ‚Tiniest Lights’, da sein Aufbau meine Erwartungen bei Weitem übertraf. Die Produktion war ausladend und bewegend, zugleich aber auch recht simpel. Obwohl ‚Tiniest Lights‘ mein Lieblingstrack ist, war mir klar, dass ich kein Cover erschaffen können würde, das diesem gerecht wird. Zumindest nicht, wie ich mir das vorstellte. Da mich zuletzt aber auch der Song ‚The Intern‘ von Olsens neuer Platte ‚My Woman‘ überwältigt hatte, wählte ich schließlich diesen aus. Ich fand die Idee interessant, das Stück auf eine Weise neu zu interpretieren, die sich vor der Nostalgie ihres Erstwerks verneigt. Ich nahm meine Version in einer Scheune auf der Ranch meiner Familie auf. Dazu nutzte ich ein Kondensatormikrofon, in der Hoffnung, dadurch ein wenig der Atmosphäre von ‚Tiniest Lights‘ wachrufen zu können.“
Welche Emotionen verbindest du mit dem Original von „The Intern“?
„Noch bevor ich wirklich wusste, was sie bedeuten, war ich den Lyrics des Songs bereits verfallen. Vielleicht, weil ich mich auf einer unbewussten Ebene mit ihnen identifizieren konnte. Aus meiner Sicht erforscht der Track die Momente, in denen wir realisieren, dass wir erwachsen werden. Wir werden dazu gezwungen, unsere Idee von dem, was man uns über uns erzählt hat, mit der Realität des alltäglichen Lebens abzugleichen. Als Kinder wurden wir mit so vielen Erwartungen und Hoffnungen beladen. Wir sollten besonders sein und erfolgreich in dem, was wir tun. Außerdem sollten wir Erfüllung in unserer Arbeit finden. Sobald wir dann merken, dass diese Träume nicht immer in Erfüllung gehen, müssen wir lernen, mit dieser Tatsache umzugehen. Anstatt uns in einer Geschichte zu verlieren, geht es darum, zu akzeptieren, wer wir sind. Angel Olsen schreibt dazu: ‚ Doesn’t matter who you are or what you’ve done, still gotta wake up and be someone’.”
Normalerweise nimmst du deine Songs nicht zuhause, sondern im Studio auf. Inwiefern stellte dies nun eine Herausforderung für dich dar?
„Die größte Schwierigkeit, der ich begegnete, als ich den Song fertigzustellen versuchte, war die, den natürlichen Klang des Raumes mit einzufangen. Die erwähnte Scheune bietet einen wundervollen, wenngleich zurückhaltenden Klang. Es war nicht leicht, meinem Gesang Raum zu gewähren, ohne gleichzeitig die sanfteren Tonanschläge zu verlieren. Schlussendlich benutzte ich zwei Mikrofone. Das besagte Kondensatormikrofon und ein von Batterien betriebenes Aufnahmegerät, das man normalerweise für Interviews nutzt. Ich hoffe, ich werde meine Aufnahmetechnik noch optimieren können, denn eigentlich will ich mein kommendes Album in der Scheune aufnehmen. Immerhin wird es um die Berge, die die Ranch meiner Eltern umschließen, gehen.”
Wie zufrieden bist du mit deinem fertigen Cover?
„Am meisten freue ich mich über die Art und Weise, wie meine Gitarre klingt. Ich habe eine Akustikgitarre mit Nylonsaiten und einen Fender Vibrolux Reverb Amp benutzt. Mit diesem Verstärker arbeite ich schon seit ein paar Jahren. Mir gefällt sein dunkler, gut ausbalancierter Widerhall. Ihr habt es euch vielleicht schon gedacht, ich stehe auf Hall. Er hilft, kleine technische Macken zu verschleiern. Das führt oft dazu, dass Darbietungen insgesamt besser klingen. Dennoch wünschte ich mir, ich hätte mir etwas mehr Zeit für die Aufnahme nehmen können. Wobei es auch Vorteile hat, wenn man Songs nicht totproduziert.”
Kannst du dir vorstellen, „The Intern“ von nun an auch live bei deinen Konzerten zu spielen?
„Die Idee, einen Song von Angel Olsen bei einer meiner Shows zu perfomen, gefällt mir. Ob es nun dieser oder irgendein anderer ist. Allerdings ist ihre ausdrucksstarke Stimme derart einzigartig, dass ich zögere, weil ich sie nicht imitieren möchte. Das ist generell einer der Gründe, warum ich zu 90 bis 100 Prozent nur meine eigenen Stücke spiele. Ich möchte dadurch meinen eigenen Stil weiter erforschen. In meiner Musik mag ich es, Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verbinden. Alte amerikanische Field Recordings und Folksongs, wie sie vor den 70ern aufgenommen wurden, kombiniere ich mit dem zeitgenössischen Songwriting meiner Generation. Mein Ziel ist es, neue Territorien zu bewandern, und zu erforschen, woher Musik wie die von Angel Olsen stammt. Es gibt noch mehr solcher begnadeten Künstler da draußen.”
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