INTERVIEW: El Perro Del Mar

Individualistin, hart arbeitendes Genie, Weltenbürgerin. Kaum eine Musikerin steht für mehr Passion und Schöpfungskraft als Sarah Assbring. Unter ihrem Moniker El Perro Del Mar hat die Schwedin sich in den letzten Jahren von einer gefragten Chamber-Pop-Vertreterin zu einer der spannendsten Avantgarde-Künstlerinnen unserer Zeit gemausert. Dabei überrascht Assbring mit jedem Release aufs Neue, da es ihr immer wieder gelingt, eingefahrene Muster aufzubrechen und ihre Kunst zu hinterfragen. Mit „We Are History“ vermischt sie unterschiedlichste Impulse aus ihrer bisherigen Diskografie und ergänzt diese um weitere, unerwartete Komponenten. Wir haben mit Sarah Assbring gesprochen.

Wie geht es dir, Sarah?

„Mir geht es gut, danke. Ich bin glücklich und arbeite hart.“

Es ist schön zu sehen, dass du kontinuierlich an neuer Musik arbeitest und diese auch veröffentlichst. Was hält dich am Ball?

„Danke, das ist schön zu hören. Nun, es ist eben, was ich tun muss. Etwas zu kreieren ist mein Ein und Alles. Es ist wie die Luft, die ich zum Atmen brauche. Ich liebe es, mich in neue Projekte zu stürzen. So bleibe ich lebendig.“

Du bist Mutter geworden. Inwiefern hat dich das verändert?

„Extrem. Ich war plötzlich gezwungen, mich selbst in den Hintergrund zu stellen, was gut war, denn dadurch erhielt ich eine neue Sicht auf die Welt um mich herum. Unser Planet ist zerbrechlich und darf nicht als Selbstverständlichkeit angesehen werden. Generell sollte man das nicht tun. Das musste ich lernen, je älter ich wurde. Auf künstlerischer Ebene glaube ich, dass man Zeit nicht verschwenden darf. Man sollte immer weitermachen und stets herumexperimentieren.“

Ist Musik ein wichtiger Teil in deiner Kindererziehung? Was singst du deinem Sohn gern vor?

„Als er noch kleiner war, habe ich ihm gern schwedische Volkslieder und Ähnliches vorgesungen. Heute gefällt ihm das aber nicht mehr. Und vor allem mag er es nicht, wenn ich meine eigenen Songs anstimme. Er mag Kiss und von denen kenne ich kein einziges Stück. Musik ist etwas sehr Essenzielles, aber ich bin auch der Meinung, dass man Kinder nicht zu offensichtlich damit konfrontieren sollte, weil sie sich sonst schnell dagegen auflehnen. Ich habe wirklich Angst, dass sich mein Sohn irgendwann entscheiden könnte, Steuerberater zu werden.“

Was kannst du zu der Arbeit an deiner EP „We Are History“ berichten?

„Tatsächlich schrieb ich sie in Berlin. Die Songs gehen zu großen Teilen auf Rhythmen einer Tabla-Trommel zurück. Es hat Spaß gemacht, diese Platte zu realisieren. Mein Freund Jacob Haage, der auch mein Kollaborateur ist, brachte mich dazu, Petter Granberg in den Abmischprozess zu involvieren. Mit ihm zu arbeiten, war der Wahnsinn!“

Die EP präsentiert dem Hörer eine einzigartige Klangkulisse. Würdest du diese nach wie vor als einen Gegenentwurf zu westlicher Popmusik bezeichnen?

„Vermutlich nicht mehr, wie zu Zeiten von ‚KoKoro‘. Die EP hat einen Europa-Bezug. Unser Kontinent ist ein dunkler Ort geworden. Dazu hatte ich einige Dinge zu sagen.“
Was macht gute Popmusik aus?

„Sie sollte unmittelbar ins Herz gehen.“

Wenn du die Sarah, die 2006 „El Perro del Mar” veröffentlichte, neben die Sarah von heute stellst, was hat sich verändert?

„Sie kam, sie sah, sie verlor, sie wurde weiser, sie gewann, sie lebte, sie machte weiter und versuchte, dem Leben das Beste abzugewinnen.“

Wenn du erneut ein Künstlernamen finden müsstest, welcher wäre das?

„Ich denke manchmal darüber nach. Zum Beispiel, wenn ich überlege, Musik zu machen, die noch abstrakter und instrumenteller ist. Vermutlich wäre es ein mysteriöses Pseudonym. Vielleicht ein Männername.“

Auch dein Stil, dein Haarschnitt und dein visuelles Erscheinungsbild haben sich über die Jahre stark verändert. Gibt es einen Zusammenhang zu deiner Musik?

„Als ich mein erstes Album herausbrachte, war ich sehr unglücklich und selbstkritisch. Ich musste lernen, damit umzugehen. Heute strafe ich mich nicht mehr so sehr ab. Ich liebe es, mit verschiedensten Ausdrucksarten zu experimentieren. Mein Gesicht und mein Look sind Teil meiner Persönlichkeit. Ich bin glücklich, dass ich diese Aspekte zu nutzen weiß. Ich wünschte, ich könnte noch einmal zehn Jahre zurückgehen.“

Das Reisen gehört untrennbar zum Musikerdasein dazu. Konntest du dadurch unseren Planeten ein wenig erkunden oder war nie wirklich Zeit dazu?

„Das ist unterschiedlich. Heutzutage, als Mutter, bin ich zurückhaltender und reise weniger, als ich es früher getan habe. Ich war zwar schon hier und dort, aber es gibt noch viele Plätze, die ich gern sehen würde. Dennoch mag ich es weniger und weniger, zu fliegen. Es hat einfach einen schlechten Beigeschmack.“

Was denkst du, warum viele Menschen vergessen haben, dass uns etliche Gemeinsamkeiten verbinden?

„Ich denke, das ist eine natürliche, menschliche Schwäche. Wir sollten uns öfter an sie erinnern und konsequent an unserer Empathie arbeiten. Das ist wie mit dem Rassismus oder der Fremdenfeindlichkeit. Sie entspringen nicht zwangsweise einem bösen Geist, sondern eher Angst und Ungewissheit. Man sollte darüber reden und mit entsprechenden Gedanken arbeiten, bis die Furcht weg ist. Wir dürfen das nicht vergessen und müssen auch unsere Kinder aufklären.“

Inwiefern kann Musik helfen, Brücken zu bilden?

„Musik hat diese unglaublich irreale Kraft, zu bewegen, weshalb ich glaube, dass sie einen Weg darstellt, Menschen zu verbinden. Einen der wenigen wahrhaftigen Wege.“

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