Die Welt singt über die Liebe, Jenny Wilson hingegen über Ohnmacht, Unterdrückung und Missbrauch. „Exorcism“ ist eine elektrifizierte Kriegserklärung an die Ignoranz unserer Gesellschaft.
Es gibt nur wenige Alben, die wirklich erschüttern. Die sich unbequemen Wahrheiten stellen, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Das fünfte Studioalbum der Schwedin Jenny Wilson gehört aber zweifelsohne in diese Kategorie von Machwerken. Statt sich für immer einer Scham zu ergeben, die nicht nur ungerechtfertigt, sondern auch gefährlich ist, verarbeitet Wilson mit „Exorcism“ das wohl dunkelste Kapitel ihres Lebens: den sexuellen Übergriff durch einen Mann. Damit bricht die Songwriterin nicht nur öffentlich ihr Schweigen, sondern prangert auch den Missstand an, dass zu viele ihrer Leidensgenossinnen wissentlich in eine Opferrolle gedrückt werden. Natürlich fühlte auch Wilson sich nach der Tat paralysiert, doch stellt sie auf ihrem fünften Studioalbum in gewohnt unverblümten und aus verschiedensten Perspektiven gedachten Texten klar, dass dies kein Dauerzustand sein darf, den es zu akzeptieren gilt. Nur die aktive Auseinandersetzung mit den auferlegten Schatten und Dämonen führt zu einer Linderung all der negativen Gefühle. Entsprechend sind die neun Songs, die sich auf „Exorcism“ versammeln, keine leichte Kost. Sie wirken aggressiv, spitz und regen zum Nachdenken nach. Auf Grundlage düsterer Discosounds und kompromissloser Melodien entspinnt sich eine ungewöhnlich anmutende Platte, die sich stilistisch kaum fassen lässt. Extravagant, exzentrisch und exzessiv. Ganz so, wie man es von Frau Wilson gewohnt ist.
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