REVIEW: Bon Iver „i,i“

Es macht doch eh jeder, was er will! Justin Vernon alias Bon Iver hat quasi über Nacht sein viertes Studioalbum „i,i“ gedroppt und kämpft so aktiv gegen jedwedes Schubladendenken. Sei es hinsichtlich geltender Veröffentlichungspolitiken oder ihm in der Vergangenheit zugeschriebener Klangästhetiken.

Braucht es noch physische Tonträger? Diese Frage scheint in Zeiten, in denen viele Künstler ihre Alben vor dem haptischen Release bereits digital zur Verfügung stellen, durchaus berechtigt. Auch Justin Vernon alias Bon Iver bricht mit traditionellen Konventionen. Vielleicht, weil es ihm als Einzelperson in einer undurchschaubaren Branche wie der Musikindustrie plötzlich die Möglichkeit gibt, das Ruder wieder selbst in die Hand zu nehmen, statt es Managern und Labelchefs zu überlassen. Nachdem Vernon in den letzten Wochen und Monaten schon verschiedene Tracks seiner neuen Platte „i,i“ enthüllt hatte, entschied er sich nun dazu, den Rest über gängige Streaming- und Downloaddienste nachzuschicken. Für viele unerwartet, sind CD und Vinyl schließlich erst für den 30.08. angekündigt. Und doch ein kluger Schachzug, möchte man meinen. Immerhin sind die Hörer im Sommerloch per se akustisch unterversorgt und stürzen sich gern wie hungrige Wölfe auf hochkarätige Neuerscheinungen. Um eine solche handelt es sich auch bei „i,i“. Nicht nur, weil Bon Iver als Publikumsliebling gilt, sondern auch, weil er auf der LP seine Weiterentwicklung vom folkigen Chamber-Pop-Star zum avantgardistischen Crossover-Künstler konsequent vorantreibt. Was die Beschaffenheit der Songs auf „i,i“ betrifft, wirken diese zwar noch immer wie aus echtem Songwriter-Holz geschnitzt, nur sorgen klug eingesetzte computergenerierte Sounds und Spielereien für einen modernen Schliff. Vernon und seine Kollegen bieten damit eine spirituell stärker verwurzelte Alternative zu Genrefilous wie James Blake oder SOHN. Den Ton gibt dabei weiter der fragile Gesang des 38-Jährigen an. Er ist und bleibt das Markenzeichen Bon Ivers und ermöglichte eine stilistische Wende, die so manch anderes Projekt vermutlich nicht überlebt hätte.

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