Mit Improvisationen, Irritationen und vielen Feinheiten versehen fungiert Carlos Cipas „Retronyms“ als wunderbares Bindeglied zwischen Tradition und Zukunftsgewandtheit.
Noch immer gibt es Künstler, die sich einer gern als klassisch bezeichneten Art, Musik zu machen, verschrieben haben. Wenngleich der Begriff Klassik dabei irreführend sein kann, impliziert er doch einen nicht zwingend notwendigen Vergangenheitsbezug. Als könne man erst rückwirkend beurteilen, ob etwas in diese Rubrik falle oder eben nicht. Wenn heutzutage Begriffe wie Klassik oder Neoklassik bemüht werden, um die Werke zeitgenössischer Komponisten zu beschreiben, impliziert dies meist, dass diese in ihren Stücken vorrangig typische Orchesterinstrumente wie Klavier, Bläser oder Streicher nutzen, oder sich an Strukturen orientieren, die der vieler großer Meister ähneln. Carlos Cipa ist in seiner Ausbildung genau darin trainiert worden. Als Mensch des 21. Jahrhunderts interessiert sich der Münchner neben Bach und Vivaldi aber auch für den Pop-Kosmos und all seine Auswüchse. Das daraus resultierende Spannungsfeld überträgt Cipa gekonnt auf seine eigenen Stücke. „Retronyms“, sein drittes Studioalbum, breitet eine cineastisch anmutende Klangwelt a la Dustin O’Halloran oder Ludovico Einaudi vor den Zuhörern aus. Wobei man Cipa zugestehen muss, dass seine Handschrift deutlich rauer und ausgefranzter wirkt, als die soeben aufgeführter Kollegen. Arbeitete er zuvor gern hauptsächlich am Klavier, kommt in Tracks wie „Slide.“ oder „Senna’s Joy“ nun sein Können als Multi-Instrumentalist und seine Vorliebe für elektronische Spielarten zum Tragen. Organisch entwickelt sich seine Musik mit Einflüssen aus dem Hier und Jetzt weiter, statt sich dem Lauf der Dinge zu versperren und schon antiquiert zu wirken, noch bevor die Maschinen des Vinyl- oder CD-Presswerks erkaltet sind. „Retronyms“ (zu Deutsch in etwa nachträgliche Neubenennung) ist dabei mehr verheißungsvolles Statement denn aus der Notwendigkeit heraus gewählter Albumtitel.
Kommentar verfassen