Bang, boom, bang! Deichkind zünden mit «Wer Sagt Denn Das?» eine akustische Bombe voller vermeintlicher Geschmacklosigkeiten. Geschmacklosigkeiten, die sich aber spätestens im zweiten Hördurchlauf als clever inszenierte Denkanstöße entpuppen.
Kaum zu glauben, aber es ist schon über zwanzig Jahre her, dass Philipp Grütering zusammen mit ein paar Freunden die Band Deichkind gründete und damit zu einem Siegeszug ansetzte, der bis heute andauert. Trotz oder gerade wegen ihrer prollig-anmutenden Attitüde konnte sich die Hip-Hop-Formation einen festen Platz in der deutschsprachigen Musiklandschaft erkämpfen. Und zwar ohne in einer Tour Skandale zu produzieren, wie man es von vielen ihrer Genrekollegen gewohnt ist. Das Erfolgsrezept des Quartetts scheint ebenso simpel wie genial. Nämlich die Zuhörer*innen dort abzuholen, wo Alltag und Gewohnheiten sie fest im Griff halten. Statt mit erhobenem Zeigefinger Problemanalysen anzustellen und diese in verkopfte Texte zu verpacken, rappen Deichkind einfach so vor sich hin, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Ohne Rücksicht auf Etikette und Benimmregeln, ohne Blatt vor dem Mund. Wer sich an Wörtern wie «pissen» oder «kacken» stösst, sollte also nicht allzu genau hinhören, wenn Tracks wie «Bude Voll People» oder «Richtig Gutes Zeug» aus den Lautsprechern dröhnen. Bewusst überschreiten Deichkind die ein oder andere Ekelgrenze, um zu provozieren und wachzurütteln. Stets im Takt ihrer ekstatischen Elektropunk-Melodien, für die die Hamburger seit Langem schon gefeiert werden. «Wer Sagt Denn Das?» zeigt, dass Gesellschaftskritik auch im Partymodus funktioniert. Politisch korrekt und ohne Witze bemühen zu müssen, die auf Kosten von Minoritäten oder Randgruppen gehen.
Diese Review erscheint in der kommenden Printausgabe des Mannschaft Magazins.
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