Nicht von dieser Welt: Braids haben mit „Euphoric Recall“ ein eigenständiges Klanguniversum erschaffen, das man, sobald man es erst betreten hat, kaum verlassen will.
Symphonisch – dieses Wort beschreibt den Charakter von Braids „Euphoric Recall“ wohl am treffendsten. Mit nur wenigen Buchstaben. Doch ist das eben die Essenz dessen, wofür das kanadische Trio steht. Nämlich für breit angelegte Stücke, denen es jedweden Platz einräumt, um sich bis in die Unendlichkeit ausdehnen zu können. Große Ambitionen vertragen nun mal keine engen Schuhkartons, in die man sie zu drücken versucht. Wie schon bei früheren Werken lösen sich Sängerin und Songwriterin Raphaelle Standell-Preston sowie ihre beiden Kollegen erneut von sämtlichen Konventionen und lassen ihren kreativen Ideen freien Lauf. Das führt dazu, dass wenn man Anfang und Ende ein und desselben Songs getrennt voneinander hört, man schnell den Eindruck gewinnt, es könne sich um zwei völlig unterschiedliche Tracks handeln. So aber ist das Leben! Stimmungen, Gefühle, Gedanken – sie alle sind fluid, kaum zu greifen und einer stetigen Veränderung unterworfen. Flüchtigkeit ist ein Naturgesetz und nichts anderes postulieren Braids mit der Art und Weise, wie sie „Euphoric Recall“ haben entstehen lassen. Sowohl die Texte als auch die üppigen Instrumentierungen, bei denen unter anderem Streicher auf Synthesizer und Klavierpartituren auf Drum-Beats treffen, sind in ihrem Grundgerüst oft kurzen, aber eindrücklichen Impulsen zu verdanken. Statt diese in der Folge zu sezieren und produktionstechnisch zu bearbeiten, bis kein Funken an Spontanität mehr übrig ist, haben Braids den Mut aufgebracht, manch ein Element einfach stehen und in seiner Rauheit wirken zu lassen. „Euphoric Recall“ ist ein Geniestreich! Ein Werk, das mit einer gigantischen Sogwirkung aufwartet und einen als Hörer*in ohne Umschweife mit reinsten Emotionen konfrontiert, gleichzeitig aber auch genug Schutz bietet, um nicht von diesen überwältigt zu werden.

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