Der missglückte Versuch, aus dem Schatten der kleinen Schwester zu treten: Sein Debüt „Optimist“ zeigt auf, dass FINNEAS Songwriting für sich genommen leider deutlich trivialer als das erscheint, womit er an der Seite Billie Eilishs brilliert.
Optimismus als generelle Grundhaltung kann keinesfalls etwas Schlechtes sein. Doch stellt Optimismus auch eine Art Luxus dar, den man sich vor allem dann leisten kann, wenn es einem rundum gut geht. Zwar weiß man in der Psychologie, dass auch in Krisenlagen Zuversicht hilfreicher als Schwarzmalerei ist, nur wenn es selbst an den grundlegendsten Dingen fehlt, dann fällt es tatsächlich schwer, den Kopf über Wasser und sprichwörtlich hochzuhalten. Finneas Baird O’Connell wurde im Sonnenstaat Kalifornien geboren, ist Sohn zweier Schauspieler, tingelte selbst durch ein paar TV-Serien (beispielsweise „Glee“ und „Modern Family“) und entschied irgendwann, seinen Karrierefokus vom Fernsehen auf die Musik zu verlagern. So tüftelte er frohen Mutes an verschiedenen Songs, wobei der große Erfolg lange ausblieb. Bis er sich schlussendlich mit seiner jüngeren Schwester Billie (Eilish) zusammentat. Heute kann der 24-Jährige auf einen hervorragenden Ruf als Produzent sowie ein volles Regal mit Grammys blicken und gelangt trotzdem zu der Erkenntnis, dass es vor allem die kleinen Dinge im Leben seien, die ihn glücklich machten. Ein Schelm, wer nun Böses denkt. Auf seinem Debütalbum „Optimist“ teilt FINNEAS seine Begeisterung am Leben und an den Menschen mit all denen, die Lust haben, sich darauf einzulassen. Und das dürften aufgrund seiner Bekanntheit einige sein. Wird er es aber gleichzeitig auch schaffen, mit seinem Soloprojekt die Verkaufs- beziehungsweise Streamingzahlen eines „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ oder „Happier Than Ever“ zu erreichen? Wohl kaum. Was allerdings nicht per se etwas mit der Qualität der Tracks, sondern viel mehr mit dem fehlenden Starappeal des US-Amerikaners zu tun haben dürfte. FINNEAS ist und bleibt der talentierte Junge von nebenan. Nicht mehr, nicht weniger. Er bietet deutlich weniger Reibungsfläche und Identifikationspotenzial als Billie, wird den Vergleichen zu ihr aber unmöglich entgehen können. „Optimist“ wirkt verhältnismäßig glattgebügelt. Kaum Brüche im Gesang, obwohl die Stimme durchaus solide ist, vorhersehbare Melodieabläufe, die mit wenigen Ausnahmen (zum Beispiel „Around My Neck“) gängige Pop-Klischees bedienen, und insgesamt wenig Überraschendes. Ohne den Kontext, in den sie hineingeschleudert wird, hätte diese Platte durchaus sang- und klanglos im Meer der wöchentlichen Veröffentlichungen untergehen können. So wird sie aber durchaus ein paar Liebhaber für sich gewinnen. Da dies laut eigenen Aussagen ausreicht, um FINNEAS ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern, ist das Ziel somit erreicht.
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