REVIEW: Calexico „El Mirador“

Calexico rasseln mit „El Mirador“ in eine Debatte, die hierzulande die Gemüter erhitzt. Wo und mit welchen Argumenten dürfen stilistische Grenzen überquert werden, wenn sie gar nicht der eigenen Ethnie und Privilegiertheit entsprechen?

Das Thema kulturelle Aneignung ist gerade in aller Munde. Es geht dabei grob gesagt um die Tatsache, dass sich vom System bevorteilte, weiße Personen traditioneller Bräuche oder Inhalte unterdrückter Gemeinschaften – zum Beispiel aus Kolonialzeiten – bedienen, oft in nostalgie-verklärter Weise. Im Zuge dieses Diskurses könnte auch die texanische Band Calexico schnell ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, gründen ihre Songs doch neben Country-Einflüssen eben auch auf südamerikanischen Impulsen wie denen der Mariachi-Musik. „El Mirador“, das bereits zehnte Studioalbum der siebenköpfigen Formation, macht da keine Ausnahme. Durch die Stücke wehen Böen sich nahezu materialisierenden Wüstensands, während einem die Sonne förmlich ins Gesicht scheint. Es sind Bläserchöre, lateinamerikanische Rhythmen und spanisch-sprachige Gastgesänge, die diesen Eindruck schüren und die Platte zu einem wahren Feuerwerk an Emotionen machen. Calexico präsentieren sich auf der Höhe ihrer Schaffenskraft und schenken den Hörer*innen eine Platte, die ab der ersten Sekunde mitzureißen versteht. Die denen, die sonst vielleicht keinen Zugang dazu hätten, eine tonale Welt eröffnet, die fern des eigenen Horizonts liegt. So wird vielleicht sogar das Interesse geweckt, sich mit den Ursprüngen jener wenig herkömmlichen Klangmuster zu beschäftigen, weshalb sich die Frage stellt, ob man vielleicht auch eine Chance darin erkennen könnte, dass „El Mirador“ ist, wie es ist. Doch sprechen wir am Ende eben auch aus einer Perspektive, die keine Betroffenheit – wenngleich aber Neugierde und Faszination für fremde Kulturen – enthält.


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