REVIEW: Lykke Li „EYEYE“

Eine Künstlerin der Extreme: Nach dem zuletzt angestrebten Ausflug in den Mainstream setzt Lykke Li für „EYEYE“ auf handgemachte Lo-Fi-Ästhetik.  

Als Lykke Li 2018 mit ihrem letzten Album „So Sad So Sexy“ um die Ecke kam, zeigten sich nicht wenige Hörer*innen irritiert. Aus der nachdenklichen Indie-Songwriterin war eine mit R’n’B und Pop liebäugelnde Femme Fatale geworden. Doch scheint diese Liaison, dieses Brechen mit der eigenen künstlerischen Sozialisation, nur von kurzer Dauer gewesen zu sein. Denn „EYEYE“ ist eine Rückkehr, eine fast schon überspitzte Besinnung auf Lykke Lis Chamberpop-Wurzeln. Ohne Verwendung digitaler Instrumente, den Gesang mit einem günstigen Mikro aufgenommen, zog sich die gebürtige Schwedin in ihr Schlafzimmer in Los Angeles zurück und arbeitete dort an acht neuen Songs, die sie später mithilfe Björn Yttlings, von dem sie bereits ihre ersten drei LPs hatte produzieren lassen, verfeinerte.
„EYEYE“ spielt auch fern des Titels mit Palindromen, also Worten, die von vorne wie von hinten gelesen die gleiche Bedeutung haben. Sie sind das übergeordnete Motiv der Platte. Nicht zufällig beläuft sich die Gesamtlaufzeit auf 33 Minuten und 33 Sekunden. Und auch die Videos zu einzelnen Songs und Fragmenten setzen auf Endlosschleifen als visuelles Mittel. Inhaltlich widmet sich Lykke Li derweil dem ewig währenden Zyklus der Leidenschaft, von Liebe über Sucht bis hin zu Rückfall und Besessenheit, nutzt dafür aber erstaunlicherweise kaum aufbegehrende, dynamische Harmonien, wie man vielleicht erwarten könnte, sondern vielmehr ein moll-lastiges, fast blau-gräuliches Tongemisch, das statt auf Tempo auf genügend Zeit setzt, um sich völlig in Melancholie und Wehmut zu verlieren. In dem, was sie da veranstaltet, bleibt die 36-Jährige eine Meisterin ihrer Zunft, doch hätte „EYEYE“ zur Kontrastierung durchaus ein paar Stilbrüche vertragen können.


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