REVIEW: Interpol „The Other Side of Make-Believe“

Interpol kommen zur Ruhe, ohne dass ihnen dabei die Luft ausgeht: „The Other Side of Make-Believe“ will nicht schreien, das Album flüstert lieber.

1997 gründete Paul Banks zusammen mit drei Kollegen eine der erfolgreichsten Indierock-Bands überhaupt: Interpol. Heute, 25 Jahre später, ist von der Ursprungsbesetzung neben Banks nur noch Lead-Gitarrist Daniel Kessler übrig. Greg Drudy und Carlos Dengler haben sich im Laufe der Zeit verabschiedet, wodurch wiederum Platz für den aktuellen Drummer Sam Fogarino entstand. „The Other Side of Make-Believe“ ist Interpols siebentes Album und eins, das im Zuge der Pandemie entstand. Wie viele ihrer Kolleg*innen mussten auch Banks und Co. von den klassischen Bandtreffen, bei denen an Songideen gearbeitet wird, auf andere Strategien ausweichen und sich – zumindest im Anfangsstadium – auf andere Kommunikations- und Wege des Austauschs stürzen. Für die Produktion bedeutete das, das eine neue Dynamik entstand, die schlussendlich auch den Sound der Platte mitbeeinflusst hat. Weniger aufbegehrend, weniger düster als viele der Vorgänger sucht „The Other Side of Make-Believe“ nach Hoffnungsschimmern und lässt sich auf eine Ruhe ein, die man von Interpol zwar irgendwie zu kennen meint, die auf Albumlänge aber einen ungewohnt friedlichen und wohltuenden Eindruck hinterlässt. Es geht nicht darum, sich mit allem Druck gegen Systeme aufzubäumen und den letzten Funken Kraft zu investieren, um für eine Sache einzustehen. Vielmehr raten die Texte dazu, einen Schritt zurückzutreten, um sich eine Übersicht zu verschaffen und damit auch die Möglichkeit, zwischen all den Gitarrenriffs, entschleunigten Schlagzeugbeats und dem immer wieder unheimlich charismatischen Gesang Banks eine Perspektive auszumachen, wie man Zufriedenheit in sich wecken kann. Ein wenig Melancholie schwingt innerhalb der elf Songs trotzdem mit. Vielleicht als Kontrastmittel. Denn das süße Leben schmeckt umso süßer, wenn ein Hauch von Bitterkeit beigemischt wird. „The Other Side of Make-Believe“ ist nicht der aufregendste, nicht der strahlendste und auch nicht der innovativste Longplayer aus dem Hause Interpol, aber durchaus einer, der zeigt, dass die drei Herren noch ein paar ungeahnte Facetten für ihre Hörer*innen bereithalten, die es zu erkunden gilt.


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