Lola Marshs „Shot Shot Cherry“ zeigt, wie man sich mit Anlauf in die Tiefen des Mainstream-Pops stürzen kann, ohne dabei unterzugehen.
Musikalischer Anspruch wird schnell mit gediegenen Melodien, Moll-Akkorden, arrhythmischen Beats oder kryptisch-poetischen Texten gleichgesetzt. Dass es aber auch anders geht, beweisen Gil Landau und Yael Shoshana Cohen. Seit 2013 existiert ihr Projekt Lola Marsh, dessen Erfolgsrezept auf purer Passion basiert. Sprich, das zu tun, was sich richtig anfühlt. Ungeachtet konstruierter Einschränkungen oder Sorgen darüber, was dem Publikum gefallen könnte und was nicht. Die beiden Israelis schätzen fröhliche Up-Tempo-Nummern, scheuen sich nicht vor groß angelegten akustischen Inszenierungen oder davor, die Dinge beim Namen zu nennen, statt sich in Metaphern und Bildern zu verlieren. Ihre Lyrics drehen sich um Liebe und Sehnsucht, um Selbstzweifel und Gedankenexperimente, wie sich ein Leben zufriedenstellend gestalten lässt. Neben diesen Zutaten ist es aber vor allem auch die Stimme von Sängerin Yael, die den Songs der beiden einen charakteristischen Schliff verleiht – klingt sie doch süß und rau zugleich wie ein süßes Dessert mit einem Hauch von Chili. Trotzdem entschieden Lola Marsh, für ihr drittes Album „Shot Shot Cherry“ auf Vocoder-Effekte zurückzugreifen und so den Gesang ihrer Frontfrau zu verfremden. Damit folgen sie einem nicht abklingen wollenden Trend, der das Popbusiness noch immer wie kein zweiter durchzieht. Hinzukommen eingängige Hooks, folkig-aufgepeppte Rhythmen, Electro-Spielereien und ein Spirit, der das Energielevel binnen kürzester Zeit Richtung Anschlag treibt. Sich all dessen zu bedienen, stelle ein absolutes Tabu dar, würden nun viele Kritiker behaupten. Zumindest, wenn man sich als Künstler*in ernstnehmen wolle. Unserer Redaktion aber gefällt, wie konsequent Lola Marsh nach zwei Pop-Noir-Alben all den Taylor Swifts und Harry Styles dieser Welt den Kampf ansagen und für ihre neue Platte in ein enges Mainstream-Kostüm schlüpfen. „Shot Shot Cherry“ mag nicht ihr ambitioniertestes, raffiniertestes Album sein, doch ist es definitiv eins, das mit Authentizität gute Laune die Menschen zu bewegen versucht.

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