Vermutlich war es keine leichte, jedoch die einzig richtige Entscheidung, als sich australische Indie-Quartett The Jezabels kürzlich dazu entschloss, seine geplante Welttournee aufgrund des Gesundheitszustands von Keyboarderin Heather Shannon, die unter einer seltenen Form von Eierstockkrebs leidet, zu canceln. Ein Desaster, sowohl persönlicher als auch karrieretechnischer Natur. Und während das neue Album „Synthia“ nun ungeduldig in den Startlöchern steht, bereit die Welt zu erobern, hadern The Jezabels bewegungslos der Dinge, die da kommen mögen – stets begleitet von den Sorgen um Shannon.
Spätestens mit ihrer EP „Darkstorm“ schafften es The Jezabels, sich 2010 auch in Deutschland einen Namen zu machen. Ihr einzigartiger, mit reichlich Theatralik beladener Sound wurde dabei schnell zum markanten Alleinstellungsmerkmal der Band, das sie deutlich in Kontrast zu der sonst eher grauen Masse an Newcomern setzte. Hinzukam ein vor Kraft und Selbstbestimmtheit nur so strotzendes Frauenbild, das vor allem durch den kernigen Gesang Hayley Marys postuliert wurde. Auch das Debütalbum „Prisoner“ (2012) begeisterte durch seine Originalität. Dann wurde es jedoch etwas stiller um The Jezabels und ihr Zweitwerk „The Brink“ (2014) versank im Strudel der Bedeutungslosigkeit.
Nicht aufgeben und immerfort den eigenen Visionen nacheifern zu wollen, das scheinen zumindest zwei der Grundgedanken innerhalb der Bandpolitik von The Jezabels zu sein. Folglich verwundert es auch nicht, dass ihr drittes Studioalbum „Synthia“ alle Fehler, die an „The Brink“ geknüpft gewesen sein mögen, mit einem Schlag vom Tisch wischt, um Platz für neue auditive Ideen zu machen. Zusammen mit Produzent Lachlan Mitchell, der The Jezabels schon bei der Realisierung von „Prisoner“ unter die Arme gegriffen hatte, wagen sich Mary, Shannon, Kalloper und Lockwood auf „Synthia“ in die Arena des Stadium Rocks, in der großzügig angelegte, energetische Kompositionen über Sieg und Niederlage entscheiden. Ein recht mutiger Schritt, möchte man meinen, gibt es doch unzählige Beispiele wie die Editors oder Kings Of Leon, die gezeigt haben, dass dies auch nach hinten losgehen und der jahrelang aufgebaute Ruf binnen von Sekunden zerstört werden kann. The Jezabels öffnen sich dem Mainstream jedoch erstaunlich geschickt und auf sehr subtile Art und Weise. Keine Frage, Songs wie „Unnatural“, „My Love Is My Disease“ oder „Stand And Deliver“ bieten allerhand Hitpotenziale, und auch der Rest der Platte macht einen recht zugänglichen Eindruck, nur schwingt über „Synthia“ eben auch immer ein extrem hoher musikalischer Anspruch, gleich einem Damoklesschwert, dessen Spitze man unter anderem bei „Come Alive“ oder „Stamina“ zu spüren bekommt. Selbstbewusst durchschneiden The Jezabels sämtliche Genregrenzen und scheuen sich auch nicht vor einem, dem Albumtitel gerecht werdenden, ausschweifenden Einsatz von Synthesizern, die einen Track wie „Pleasure Drive“ massiv in Richtung des 2009 von den Yeah Yeah Yeahs veröffentlichten „It’s Blitz“ katapultieren. „Synthia“ zeigt, dass The Jezabels noch einige Asse in ihren Ärmeln haben und dass es noch eine Zeit brauchen wird, bis ihre Songs als alte Kamellen zwischen The Killers „Mr. Brightside“ und „Ruby“ von den Kaiser Chiefs im Radio oder Lieblingsclub gespielt werden.
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