REVIEW: Johannes Motschmann Trio „Electric Fields“

Johannes Motschmann by Hrald HoffmannWas ist nur aus all den Jungen geworden, die in den Sommerferien eher hinter dem Klavier als draußen auf der Straße, mit selbst gebastelter Steinschleuder bewaffnet und stets zum Abschuss bereit, anzutreffen waren? Nun, ein Großteil von ihnen hat sich spätestens in der Pubertät von dem Instrument, das ihre Kindheit diktierte, abgewandt. Andere hingegen sind ihm treu geblieben. Sie haben sich zwischen den schwarzen und weißen Tasten verloren und schließlich in deren Anschlag ihre einzig wahre Bestimmung gefunden. So auch der aus Hamburg stammende Johannes Motschmann. Schon im Alter von neun Jahren saß er regelmäßig hinter Piano und Orgel und versuchte, die Werke großer Meister nachzuspielen. Was Motschmann jedoch noch wesentlich mehr antrieb, als möglichst virtuose Kopien bereits existierender Stücke zu fabrizieren, war die Improvisation. Stundenlang rutschten seine Finger über die Klaviatur, bis die produzierten Tonfolgen eine für ihn interessante Form annahmen. Später studierte der heutige Wahlberliner dann Komposition und Musiktheorie, aber auch elektronische Musik, was vor allem in seiner Liebe zum New Wave der Achtziger und einer unbändigen Faszination für Synthesizer jedweder Art begründet zu sein scheint. Zusammen mit seinen Kollegen, dem Multipercussionisten David Panzl und dem Tonmeister Boris-Alexander Bolles, vereint Motschmann auf dem Album „Electric Fields“ seine vielseitigen akustischen Leidenschaften zu einem großen Ganzen.

Electric FieldsUnter dem Dach des Berlin Classics-Sublables Neue Meister, jener Talentschmiede, die vor Kurzem mit Frederico Albaneses „The Blue Hour“ debütierte, scheint sich auch das Johannes Motschmann Trio wohlzufühlen – nicht zuletzt, da Neue Meister sowohl klassische als auch elektronische Acts in seinem Katalog aufführt. Als eine Art Missing Link zwischen diesen recht unterschiedlich anmutenden Polen, deren Vereinbarkeit allerdings andere Künstler längst unter Beweis gestellt haben, entsenden Motschmann, Panzl und Bolles vielschichtige Klanggerüste in den Äther. „Electric Fields“ besticht dabei, ganz seinem Namen entsprechend, durch das Ausbreiten nahezu endlos wirkender elektronischer Felder, in deren Ausläufern sich instrumentale Spuren und knisternde IDM-Impulse verfangen wie zappelnde Meerestiere in einem Fischernetz. Kraftvoll versuchen beispielsweise Klavierpassagen, in den Stücken „Parhelia“ oder „Flow Expansion“, gegen anschwellende Synthesizer zu rebellieren – unterstützt von rasiermesserscharfen Percussions. Harmonischer wirken hingegen Tracks wie „Echoes And Drones“ oder das titelgebende „Electric Fields“. Sie setzen auf die Vereinbarkeit organischer und artifizieller Sounds, anstatt diese in ein eindrucksvolles Gefecht zu schicken. An Komplexität und Finesse nur schwer zu übertreffen, stellt „Electric Fields“ ein imposantes Zeugnis zeitgenössischer Kompositionskunst dar.

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