Live-Alben sind eine Sache für sich. Entweder reißen sie einen sprichwörtlich vom Hocker, weil sie es schaffen, eine Konzertsituation auf eindrucksvolle Art und Weise einzufangen, oder sie verstauben als unambitionierte Werke im Plattenregal. Fast jeder Musiker, der etwas auf sich hält, veröffentlicht im Laufe seiner Karriere mindestens ein Live-Album. Auch, um zu beweisen, dass die eigenen Songs nicht nur als Studioproduktionen, sondern ebenso in der Flüchtigkeit des Moments funktionieren. Hinzukommen Parameter wie die Tagesform, die engagierten Instrumentalisten oder die verwendete Technik, die einen Konzertmitschnitt spannend machen. Nur nützt all das wenig, wenn nicht ein Hauch von Innovation die Aufnahmen durchzieht und sie sich somit von denen auf herkömmlichen Releases abgrenzen können.
Emiliana Torrini ist dafür bekannt, sich gern auf Experimente einzulassen. Ihre Teilnahme am Berliner XJAZZ-Festival, für das sie zusammen mit einem kleinen Jazz-Ensemble einige ihrer Hits neu arrangierte, scheint dabei nur eins von vielen Beispielen für den Wagemut der 39-Jährigen zu sein. Auch Auftritte mit einem Sinfonieorchester und die jüngste Kollaboration mit The Colorist zeigen, dass Frau Torrini keine Scheu davor hat, die eigene Komfortzone zu verlassen.
Neun Tracks, zu gleichen Teilen von ihren LPs „Fisherman’s Woman“ (2005), „Me And Armini“ (2008) und „Tookah“ (2013) entnommen, inszenierte die Isländerin zusammen mit Aarich Jespers und Kobe Proesmans für das Live-Album „The Colorist & Emiliana Torrini“ neu. Darüber hinaus liefert die Platte eine Eigenkomposition namens „When We Dance“ und eine Interpretation des Stückes „Nightfall“, das im Original an der Seite des kanadischen DJs Kid Koala entstand.
Von Beginn an zeichnete sich die Kollaboration zwischen Torrini, Jespers und Proesmans durch größten Respekt vor dem Schaffen des jeweils anderen aus. Behutsam erdachte man ein Konzept, mit dem sich die Kompositionen der mehrfach ausgezeichneten Songwriterin in das multidimensionale Klanguniversum von The Colorist, in dem auch Alltagsgegenstände gern einmal als Instrumente verwendet werden, übertragen ließen. Der Enthusiasmus, mit dem das Trio dabei an die Arbeit ging, führte unvermeidlich zu der Veröffentlichung von „The Colorist & Emiliana Torrini“.
Dass es sich bei dem Album um einen Konzertmitschnitt handelt, merkt man als Hörer eigentlich nur dann, wenn das Publikum zwischen den Darbietungen euphorisch zu Klatschen beginnt. Die Qualität der Aufnahmen und Torrinis gestochen scharfer Gesang bewahren ansonsten den Eindruck der perfekten Illusion, der es zu keiner Zeit an Glaubwürdigkeit mangelt. Gezielt erzeugte Spannungen, unerwartete melodische Brüche in Bezug auf die verwendeten Blaupausen und ein fest vertäuter roter Faden machen „The Colorist & Emiliana Torrini“ zu dem vielleicht besten Live-Album des Jahres. Sowohl Fans der Sängerin und ihrer Stücke als auch Musiknarren jeglicher Couleur dürften ihre Freude daran haben.
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