Es ist beinahe unfair, dass um manche Veröffentlichungen im Vorhinein ein riesiger Wirbel gemacht wird, während andere komplett untergehen – ungeachtet jedweder Qualität. Aber so ist das Leben, so ist unsere Gesellschaft und so ist vor allem die Wirtschaft. Es gilt, Umsatz zu machen, sich Wertigkeit zu verschaffen, und zwar im großen Stile. Klotzen statt kleckern! Natürlich hilft es, Erfolge in der Vergangenheit verzeichnet zu haben, um auch zukünftig Platten verkaufen und Konzerthallen füllen zu können. Und manchmal trifft es auch die Richtigen! Die Briten von alt-J hatten beispielsweise das Glück, schon mit ihrem Debüt „An Awesome Wave“ (2012) raketenartig durchgestartet zu sein. Seitdem führen sie die Festivals, auf denen sie eingeladen werden, gern als Headliner an, räumen regelmäßig wichtige Preise ab, können sich vor Kollaborationsangeboten kaum retten und scheinen alles, was sie anfassen, in Gold zu verwandeln. Das galt für ihr Zweitwerk „This Is All Yours“ (2014) und könnte durchaus auch bei Album Nummer drei, „RELAXER“, zur Realität werden. Die ersten Hörproben begeisterten die Jünger der aus Leeds stammenden Band jedenfalls derart, dass es auch die restlichen Songs auf der Platte nicht allzu schwer haben dürften.
Minimalismus einmal anders. „RELAXER“ gaukelt dem Hörer vor, sehr unbehauen und schlicht zu sein. Aber irgendetwas daran stört. Denn natürlich steckt ein Konzept dahinter. Joe Newman, Gus Unger-Hamilton und Gwil Sainsbury sind zu sehr Profis, um sich keine Gedanken darüber zu machen, womit sie den Nerv der Zeit treffen könnten. Schließlich lastet auch ein gewisser Erwartungsdruck auf ihnen, waren alt-J 2014 doch wie Propheten für die Hipsterbewegung. In ihrer Musik manifestierten sie den Wunsch der Menschen nach Entschleunigung und die Sehnsucht nach einer simplen Symbolik, ohne große Inhalte. Einfachheit wurde zum Kunstausdruck erklärt, Absurdes galt plötzlich als schön und Trends waren immer nur so lange haltbar, bis sie es in irgend ein Print- oder Onlinemagazin geschafft hatten. „RELAXER“ ist nun die Ruhe nach dem Sturm, den seine Vorgänger aufgewirbelt haben. Damit steht das Album im Kontrast zu den bunten Videospielgrafiken der Neunziger, die alt-J ihm auf visueller Ebene beigefügt haben. Zwar lassen sich auch auf „RELAXER“ die für das Trio typischen Einflüsse aus fremdem, vornehmlich fernöstlichen Kulturen finden, doch scheint die insgesamte Akzentuierung noch einmal stärker in Richtung einer sakral anmutenden Soundästhetik gerutscht zu sein, die sich im Backkatalog der Band bereits angekündigt hatte. Würde man Tracks wie „Pleader“, „Adeline“ oder das Animals-Cover „House Of The Rising Sun“ in einer Kapelle aufführen, wären sie dort genauso zuhause, wie in den heimischen vier Wänden vieler Konsumenten. Hinzukommen Sixties-Rock-Anleihen („Hit Me Like That Snare“), funkige Up-Tempo-Beats („In Cold Blood“) und der tolle vor sich hin mäandernde Opener „3WW“. Wenngleich es nicht ihr Masterpiece ist, schenken uns alt-J auch mit „RELAXER“ ein durchaus reizvolles Album.
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