Rätsel kann man nur lösen, indem man Fragen stellt. Und das tun wir gern, vor allem im Fall des maskierten Pianisten Lambert, dem wir seit der Veröffentlichung seines selbstbetitelten Debüts (2014) immer wieder bereitwillig in seine Klangwelten folgen.
Wie geht es dir? Was umtreibt deine Gedanken zurzeit?
„Danke, gut! Ich muss noch einkaufen und hier sieht es aus, wie im Saustall. Ich sollte aufräumen. Mach ich nachher.“
Was für Musik hörst du an einem regnerischen, was für Musik an einem sonnigen Tag?
„Wer hat denn einen Song, den er nach dem Wetter auflegt? Die armen Menschen in Seattle und Dublin müssten immer das Gleiche hören. Ihren einen Regensong. Ist es nicht schön, dass Musik einfach gut oder schlecht sein kann, ganz egal welches Wetter wir gerade haben?“
Hast oder hattest du jemals Eindruck, dass das Mysterium deiner Identität deiner Karriere geholfen oder geschadet haben könnte?
„Weder, noch! Ich darf die Platten machen, die ich machen will. Die Frage, ob das mit der Maske zusammenhängt, sollte sich mittlerweile gar nicht mehr stellen, denn die Leute kommen weiterhin zu den Konzerten. Wenn das nicht an der Musik liegen würde, hätte ich nach dem Debüt keine Chance mehr gehabt, denn ein visueller Effekt reicht nicht aus, um musikalisch zu überzeugen. Ich trage die Maske auch nicht aus karrieretechnischen Gründen, sondern weil sie mir Sicherheit und die Freiheit gibt, nicht ich selbst sein zu müssen, wenn ich die Bühne betrete. Ich umgehe damit das vom Publikum so heiß geliebte Authentizitätsversprechen eines Künstlers.“
Könntest du dir vorstellen, die Maske irgendwann abzunehmen?
„Aus den genannten Gründen, kann ich mir das gerade nicht vorstellen. Es entspricht auch meiner Vorstellung von Ehrlichkeit, dadurch klarzumachen, dass eine Person in der Öffentlichkeit oder auf der Bühne immer nur eine Inszenierung bleibt.“
Wie viele unterschiedliche Klaviere oder Keyboards besitzt du und was macht deiner Meinung nach ein gutes Instrument aus?
„Nicht viele. Ich bin kein Equipment-Freak. Ich habe nur ein Klavier, ein Rhodes, und zwei analoge Synthies. Außerdem habe ich noch jede Menge anderen Kram, weil ich auch gern Gitarre und Schlagzeug spiele. Ein Instrument sollte schön klingen und sich natürlich in der Handhabung gut anfühlen.“
Kannst du beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn du eins deiner Stücke fertiggestellt hast?
„Nein, weil ich nie das Gefühl habe, das ein Stück fertig ist. Ich nehme es irgendwann auf und weiß, dass man damit noch in ganz andere Richtungen hätte gehen können. Ich freu mich dann immer darauf, das Stück live zu spielen und genau da anzusetzen. Meine Stücke bieten mir oftmals ein großes Spektrum an Freiheit, die ich mittels Improvisation bei Konzerten für mich nutze, damit ich mich nicht langweile.“
Wie erzählt man Geschichten ohne Worte? Beziehungsweise, welche Themen bearbeitest du in deinen Instrumentalstücken?
„Ich habe mal erzählt, dass ich meine Stücke immer nach Themen benenne, die mir an dem Tag der Entstehung, neben der Musik, noch im Kopf herumschwirrten, weil ich davon ausging, dass diese Einfluss auf die Musik gehabt haben müssen. Ich bin mir da aber gar nicht mehr so sicher, jedenfalls habe ich dafür nie Beweise finden können. Es ist durchaus möglich, dass Musik ganz unabhängig von weltlichen Dingen und Gefühlen entstehen kann. Irgendwie liegt genau darin ja auch der Reiz für mich, dass es etwas gibt, das man halt nicht einfach mit Worten beschreiben kann. Ganz ohne Zweifel setzt Musik Emotionen frei. Für den Zuhörer ist nichts schöner, als wenn er sich in einer bestimmten Geschichte oder in seinen Emotionen bestätigt fühlt. Allerdings finde ich es widersprüchlich, dass man für so etwas Unerklärliches immer wieder nach simplen Erklärungen sucht. Zu sagen, dass man traurig war, und deswegen ein Stück in Moll geschrieben hat, klingt für mich ähnlich absurd, wie wenn ein Theologe mir erzählen würde, dass Gott mit einem langen weißen Bart über den Wolken wohnt. Trotzdem ist es auch bei mir so, dass es mir im Prozess hilft, Geschichten und Themen mit meiner Musik zu verbinden. Ich bin eben auch nur ein Mensch.“
Hast du schon einmal überlegt, mit Gastsängern zusammenzuarbeiten?
„Ich habe ein paar Aufnahmen mit Brookln von Rue Royale gemacht. Die sind sehr schön geworden, haben wir aber bisher nicht veröffentlicht. Machen wir vielleicht noch. Auf einem Konzert in Hamburg habe ich Paul von Trümmer eingeladen, zu singen. Auf meinem neuen Album singe ich selber ein paar Uhhs und Ahhs.“
Erst kürzlich erschien mit „Sweet Apocalypse“ deine neue LP. Dein Sound scheint etwas opulenter und weniger fragmentarisch geworden zu sein. Kannst du dem zustimmen?
„Ja.“
Woher kommen die neuen Klangimpulse?
„Es geht auf dem Album um den süßen Kern der Apokalypse. Die Platte befasst sich mit der Frage, inwieweit die Menschheit ein romantisches Verhältnis zu ihr hat. Bei dem Thema fühlten sich breitere Instrumentierungen richtig an. Trotzdem ist es ja so, dass jedes Stück zum Kern eines simplen Klavierstücks zurückfindet.“
Während der Entstehung von „Sweet Apocalypse“ hast du eng mit einer Malerin zusammengearbeitet. Wie kam es dazu?
„Moki hat mir ein Foto von einem Bild per Mail geschickt und gesagt, dass sie bei der Entstehung meine Musik gehört hat. Ich habe mich mit ihrer Arbeit befasst und bemerkt, dass es Gemeinsamkeiten in unseren Werken gibt. Eine starke Wechselwirkung zwischen etwas sehr Konkretem und Abstraktion. Wir trafen uns in ihrem Atelier und ich erzählte ihr von meinen Lieblingsendzeitfilmen.“
Inwiefern war diese besondere Art der Kollaboration wichtig für das Album?
„Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, jedem Stück Musik ein Bild zuzuordnen. Dann haben wir uns gegenseitig Fragmente und Skizzen geschickt. Der Titel ‚Sweet Apocalypse‘ war am Anfang zum Beispiel ein reines Klavierstück. Moki malte dann diese opulenten Wolken, woraufhin ich erst die Bläser und Trommeln aufgenommen habe.“
Wie stellst du dir das Ende dieser Welt oder der menschlichen Existenz vor?
„Ich habe keine Vorstellung davon und hoffe, dass es nicht allzu bald dazu kommt! Aber ich hege große Begeisterung für Menschen, die ihre Vorstellung der Apokalypse beziehungsweise Postapokalypse visuell umsetzen können.“
Im November wirst du im Funkhaus in Berlin, einer sehr speziellen Location, auftreten. Was erwartet das Publikum?
„Es wird sehr groß, dann aber auch wieder klein und intim. Super wird das!“
Fotos © Sven Serkis
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