REVIEW: Arcade Fire „Everything Now“

Arcade Fire treten in der Berliner Wuhlheide auf? Greifen sie damit nicht nach den Sternen? Diese Fragen erreichten uns kurz vor dem Konzert der Kanadier am 02. Juli. Wenngleich nicht alle 15000 Plätze der Freilichtspielstätte besetzt gewesen sein mögen, bebte die Arena doch vor Zuschauern. Und das nicht zum ersten Mal. Bereits auf der Tour zu ihrem letzten Album „Reflektor“ (2013) hatte die Kombo selbigen Veranstaltungsort bis an die Kanten befüllt und sich selbst über den Andrang vor der Bühne gewundert. Arcade Fire sind ein unerklärliches Phänomen. Obwohl sie hierzulande nie einen Mainstream-Hit landen konnten, sind Win Butler, seine Frau Régine Chassagne und der Rest der Truppe weit über die Grenzen des Indierocks bekannt. Wir vermuten dahinter schlichtweg Mundpropaganda. Denn fast jeder, der etwas auf sich hält, hat zumindest eins ihrer Alben zuhause stehen, beziehungsweise bei Spotify in seine Wiedergabelisten integriert – immerhin leben wir ja im digitalen Zeitalter. LP um LP haben Arcade Fire ihre Fangemeinde organisch vergrößern können. Mit „Everything Now“, ihrem fünften Studioalbum, soll der Siegeszug seinen Lauf nehmen. Unterstützt von medienwirksamen Promoinszenierungen und einer eigens designten, clever konstruierten Website.

Seit dem Beginn ihrer Karriere haben Arcade Fire ihren Sound immer stärker mit Synthesizern, Discobeats und Glitzerpoptendenzen angefüttert. In der Folge mag „Everything Now“ zwar nur noch wenig mit dem rockigen Charakter des Debüts „Funeral“ (2004) gemein haben, doch schafft es auch diese Platte, genauso anspruchsvoll und spannend zu klingen wie das Erstlingswerk der Band. Erneut wird dem Hörer eine Gruppe von Vollblutmusikern präsentiert, die den Spaß am Komponieren und Musizieren nie verloren haben. Unbeirrt setzen Arcade Fire ihre Reise von einem auditiven Pol zum nächsten fort – ohne zu hetzen oder sich gar von externen Erwartungshaltungen beeindrucken zu lassen. Vielleicht sind es ihre Coolness und Entspanntheit, die dazu geführt haben, dass das Sechsergespann trotz seines Erfolges nicht den Hauch seiner Authentizität verloren hat. Jeder einzelne Track auf „Everything Now“ birgt ein Geheimnis. Wie schon bei den Vorgängern braucht es aber auch auf dem neusten Werk von Arcade Fire Zeit, um diese zu enthüllen. Hinter den poppigen, teilweise sogar schlagerartigen Fassaden verbergen sich wunderschöne Melodien und eine handwerkliche Finesse, wie man sie andernorts noch immer vergeblich sucht. Kernpunkt des Geschehens ist und bleibt Butlers einzigartige Stimme, die sich zum unangefochtenen Markenzeichen Arcade Fires herauskristallisiert hat. Aber auch sein weibliches Pendant Chassagne ist wieder zu hören. Zum Beispiel bei „Electric Blue“. Obwohl ihr Gesang brüchig und teilweise etwas unmelodisch daherkommen mag, überstrahlt das Flair von „Electric Blue“ viele andere Titel, weshalb sich der Song zum echten Highlight mausert.
„Everything Now“ macht es noch einmal deutlich: Arcade Fire haben alles Zeug zur Kultband.

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