Als führe Enya eine E-Gitarren-Oper im All auf: Grimes inszeniert mit «Miss Anthropocene» ein gewaltiges Klangspektakel, das nicht von dieser Welt zu sein scheint.
Claire Boucher zählt zu den Leuten, die man schnell als aufgedreht oder sonderbar abtut. Mit ihrem Hang zu Mangas, Steampunk, Engeln und Aliens mag sie zwar unkonventionelle Interessengebiete haben, doch scheint es eben auch die Kombination aus genau diesen zu sein, die ihrer Kreativität als Nährboden dient. Unter dem Pseudonym Grimes erschuf die quirlige Kanadierin einen eigenwilligen Gegenentwurf zu all den Popsternchen, die den Markt beherrschen. Und der Erfolg gibt ihr Recht. Seit der Veröffentlichung von «Visions» (2012) zählt Boucher zu den grossen Hoffnungsträgerinnen der Branche. Warum? Weil sie anders ist! Kantiger, mutiger und talentierter als viele ihrer Kolleginnen. Die 31-Jährige produziert sämtliche ihrer Songs in Eigenregie und gibt nur äusserst selten die Zügel aus der Hand. Fast beiläufig brachte sie sich das Spielen unterschiedlichster Instrumente bei und experimentierte immer wieder mit für sie neuen Stilrichtungen. Auf ihrem aktuellen Album «Miss Anthropocene» beschäftigt sich Boucher mit der Tatsache, wie der Mensch biologische, geologische und atmosphärische Prozesse dieses Planeten beeinflusst. Musikalisch hüllt sie ihre Überlegungen in ein Gemisch aus computergenerierten Melodien, Drone-Sounds, poppigen Hooks und ihrem esoterischen Gesang. Keine leichte Kost, wenn man sie zu eilig hinunterschlingt. Diese Platte braucht Zeit, um ihre vielschichtigen Aromen entfalten und Genuss schenken zu können.
Diese Review erscheint in der kommenden Printausgabe des Mannschaft Magazins.
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