INTERVIEW: Kat Frankie

Kat Frankie hat sich im deutschsprachigen Raum als feste Größe in Sachen Indie-Pop etabliert. Zusammen mit Konstantin Gropper (Get Well Soon) steuerte sie die Titelmusik zum Erfolgsshowformat „Schulz & Böhmermann“ bei, trat als Teil des Duos KEØMA mit dem Track „Protected“ beim Vorentscheid für den Eurovision Song Contest 2016 an und darf sich über Millionen von Aufrufen ihrer Titel bei den etablierten Streaming-Diensten freuen. Auf ihrem fünften Studioalbum „Shiny Things“ präsentiert sich die gebürtige Australierin als eine Zeitreisende, die sich mit den Auswirkungen der Geschichte auf das Gestern, Heute und Morgen beschäftigt. Frankie nennt die Dinge beim Namen und weist auf Ungerechtigkeiten hin, statt sich in Idealbildern einer Welt zu verlieren, die leider allzu oft von Terror, Konflikten und Zerstörung in Atem gehalten wird. Wir haben da mal genauer nachgehakt und die queere Songwriterin interviewt.

Was können wir deiner Meinung nach aus der Geschichte lernen, Kat?

Das ist schwierig zu sagen, weil Leute mit unterschiedlichen Perspektiven und Motiven nicht unbedingt die gleiche Auffassung hinsichtlich bestimmter Ereignisse teilen, geschweige denn ein allgemeiner Konsens darüber herrscht, was für Rückschlüsse man aus der Vergangenheit ziehen könnte. Ich denke, dass wir technologisch, sozial und politisch viel aus ihr gelernt haben. Gleichzeitig bleibt der Mensch aber eine primitive und kurzsichtige Spezies. Die Idee, eine mitfühlendere Zukunft zu erbauen, ist vielen die Mühe nicht wert, da sie dann nicht mehr leben und damit auch nicht mehr davon profitieren werden.

Du bist als Reaktion auf Russlands Angriffskrieg bei einer Friedensdemonstration in Berlin aufgetreten. Warum war dir das ein Anliegen?

Wenn ich sehe, wie Menschen zusammenkommen, um zu protestieren oder zu demonstrieren, bin ich immer wieder überwältigt. Obwohl die Stimmung an diesem Tag aufgrund von Angst und Wut in der Menge heftig war, gibt mir der kollektive Ausdruck von Trauer und Empörung das Gefühl, nicht so allein auf der Welt zu sein. Das ist kraftvoll und ermutigend. Imperialismus ist etwas absolut Böses. Zwischen all den Reden ein wenig Musik zu spielen, schien mir das Mindeste, was ich unter diesen Umständen tun konnte.

Kann Musik denn dazu beitragen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen? 

Das ist eine Frage, die ich mir oft stelle. Was das Publikum betrifft, so hat Musik die Kraft, Menschen zusammenzubringen, den Soundtrack für Aktivist*innenbewegungen zu liefern, Ungerechtigkeiten zu artikulieren und große Mengen zu begeistern. Andererseits ist Musik aber für viele nur reine Unterhaltung und Eskapismus. Was die Musiker*innen betrifft, habe ich in letzter Zeit einiges über zeitgenössische Kunst gelesen und darüber, dass manche von uns lieber „politische“ Kunst machen, statt sich wirklich mit Haut und Haar einzubringen. Es ist viel einfacher, einen Song zu schreiben und dafür Beifall zu bekommen, als sich direkt für eine Sache zu engagieren und der harten und langwierigen Arbeit anhaltenden Aktivismus nachzugehen. Trotzdem kann ein Song eben die Macht besitzen, viele Menschen gleichzeitig zu erreichen. Um die Frage zu beantworten, ich weiß es nicht.

Inwiefern ist dein neues Album ein Protestalbum?

Für mich ist es ein Protestalbum, das nicht wie ein Protestalbum klingt. Ich denke da gern an „Walking on Broken Glass“ von Annie Lennox als Referenz. Der Track macht den Eindruck eines lustigen Popsongs, bis man auf den Text hört. Die Botschaften stecken auch bei mir in den Worten. Es gibt Stücke über den US-Imperialismus („The Sea“), die kapitalistische Ausbeutung („Natural Resources“), den Kolonialismus („Riverside“) und eins, das sich mit den Demokratieprotesten in Hongkong beschäftigt („Be Like Water“). Dennoch ist nicht alles politisch, denn ich liebe Trennungslieder, und von denen gibt es auch noch ein paar!

Bitte erzähle uns von schönen Momenten, die die Arbeiten an „Shiny Things“ begleitet haben.

Mit Musikern wie Shanice Ruby Bennett zu arbeiten und ihren Enthusiasmus, ihre Kreativität und ihre Verspieltheit zu erleben, war eine absolute Freude. Außerdem haben viele Freunde auf dem Album gesungen: Albertine Sarges, Katrin Hahner alias Kenichi & the Sun und Fama M’Boup. Sie sind solche Legenden! Das sehnsüchtige Warten auf Lockerungen während der Pandemie, damit wir wieder zusammenkommen und aufnehmen können, hat mir geholfen, die Isolation der letzten Jahre zu überstehen.

Was gefällt dir an der fertigen LP? 

Ich bin wirklich zufrieden, wie sie klingt. Besonders die Gitarren und das Schlagzeug. Ein Lob geht an den Schlagzeuger Robert Kretzschmar. Ich denke, es ist eine der besten Produktionen, die ich bisher realisiert habe, und darauf bin ich unglaublich stolz. Auch die Texte bedeuten mir sehr viel, denn meine vorherigen Alben waren alle eher abstrakt. Bei einigen der neuen Songs habe ich hingegen den Mut gefunden, direkter zu werden.

Warst du beim Schreiben, Aufnehmen und Produzieren dieser Platte manchmal der Verzweiflung nahe? 

Da ich meine eigene Produzentin bin, verbringe ich viel Zeit mit mir allein. Manchmal kann das ein wenig isolierend sein, und als dann noch Covid dazukam, gab es Zeiten, in denen ich spürte, wie ich mich langsam von der Realität entfernte.

Wie gehst du produktiv mit Selbstkritik um? 

Ich bin schon immer kritisch mit mir umgegangen, aber irgendwie bin ich auch mit einem ziemlich gesunden Selbstwertgefühl gesegnet, so dass ich mich nicht allzu lange selbst fertigmache. Das Gute daran, ein kreativer Mensch zu sein, ist, dass man, wenn man etwas macht, das sich als Müll herausstellt, die Chance hat, es beim nächsten Mal besser zu machen. Es kann sein, dass ich meine Erwartungen anpassen oder leicht umschwenken muss, aber ich versuche einfach, den Blick nach vorne zu richten.

Wo siehst du die Herausforderungen für queere Künstler*innen im Jahr 2022?

Wir leben in einer Zeit, in der queere Künstler*innen sichtbarer als je zuvor sind. Die Spitzenplätze auf den Festivalprogrammen und in den Charts werden jedoch immer noch von denen besetzt, die sich stolz als LGBTIQ-Verbündete bezeichnen, und nicht unbedingt von Mitgliedern der Community selbst. Für Kinder, die heute aufwachsen, ist die Tatsache, dass queere Musik zugänglich ist, ermutigend. Besonders für Heranwachsende, die in schwierigen Situationen leben, kann Musik, die ihnen das Gefühl gibt, gesehen zu werden, ein Rettungsanker sein. Was die Herausforderungen betrifft, mit denen queere Künstler*innen nach wie vor konfrontiert sind, unterscheiden sich diese nicht von denen, die auch andere kennen, die von der Gesellschaft daran gehindert werden, authentisch leben zu können: Vorurteile, finanzielle Unsicherheiten, psychische Probleme, Bedrohung durch Gewalt und so weiter. 

Du scheinst unglaublich gut vernetzt und bist mit vielen Musiker*innen befreundet. Wie wichtig ist das für dich?

Als ich zum ersten Mal nach Berlin kam, wurde ich sofort in die Indie-Musik-Gemeinschaft aufgenommen. Ein Teil von mir kann es immer noch nicht fassen, dass ich dermaßen viele coole und clevere Leute kennen gelernt habe. Der offensichtlichste Vorteil ist, dass ich, wenn ich eine Idee für einen Song, eine Show oder ein Video habe, in der Regel jemanden kenne, der wirklich talentiert ist und mit dem ich darüber reden kann, wie es sich am besten umsetzen lässt. Ich fühle mich extrem glücklich.

Man sieht dich bei Konzerten oft im Publikum stehen. Was macht dir persönlich daran Spaß?

Ich höre einfach gerne, woran meine Freunde gearbeitet haben. Ich bin immer neugierig und gespannt auf sie.

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