Nicht nur das Licht malt mit Hunderten von Farben, auch Kimbra weiß, das Spektrum an Klangnuancen auszunutzen, um damit die Songs auf „A Reckoning“ abwechslungsreich und bunt zu kolorieren.
Erfolgssingles haften Künstler*innen meist an wie klebriger Kaugummi. Kein Wunder, sind sie es schließlich, die dazu führen, dass die breite Öffentlichkeit Notiz nimmt. Nur sind entsprechende Hits – neben allem Segen – eben auch immer ein Stück Fluch zugleich. Denn fortan dienen sie als Referenzpunkt, als manifestierte Zitation, die stets in der Fußnote erscheint. Kimbra gelang 2011 an der Seite von Gotye mit dem Titel „Somebody That I Used To Know“ der internationale Durchbruch. Von jetzt auf gleich wurde sie berühmt und konnte sich auch als Solo-Act etablieren. Bis heute ist die Australierin eine zuverlässige Instanz in Sachen Electropop. Was Kimbra dabei besonders gut versteht, ist, stilistisch beweglich zu bleiben und sich nicht allzu festzufahren. Das lässt sich auch auf ihrem neuen Album „A Reckoning“ erkennen. Bedient die Platte einerseits fast schon gängige Pop-Klischees à la Katy Perry („new habit“) oder Beyoncé („GLT“), finden sich mit „save me“, „la type“ oder „replay!“ auch echte Ausreißer darauf. Kimbra springt – zusammen mit ihren Gästen Erick The Great, Tommy Raps, Pink Siifu und Ryan Lott – quer durch unterschiedlichste Stilistiken. Ob Soul, R’n’B, Avantgarde, Alternative, Indie, Dub, Downtempo oder Electronica, nichts scheint niet- und nagelfest, wenn die 32-jährige auf Inspirationssuche geht. Das hat den Vorteil, dass es nie langweilig wird und man häufiger Überraschungen ausgesetzt wird. Gleichsam ist diese Stärke auch die Achillesferse der LP. Denn hat man sich in eins der Stücke besonders verguckt und wünscht sich dahingehend weiterführende Ausdifferenzierungen, wird man eher enttäuscht. Oder bleibt erwartungsvoll zurück. Je nachdem, ob man das Glas lieber als halbvoll oder halbleer betrachtet. „A Reckoning“ bietet jedenfalls tausend und einen Grund, sich näher mit Kimbra und ihrer unerschöpflichen Kreativität auseinanderzusetzen.

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